Offener Brief zur Kleinen Anfrage „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ der CDU/CSU-Fraktion

© Kirsten Haarmann
Hamburg,
28. Februar 2025

Am 24. Februar hat die Bundestagsverwaltung eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zur »Politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen« veröffentlicht. Unter den 17 erwähnten Organisationen finden sich auch Partner*innen der Rudolf Augstein Stiftung. Die Rudolf Augstein Stiftung steht hinter der Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen vom 27. Februar. Darüber hinaus hat sich unsere geschäftsführende Vorständin Stephanie Reuter gemeinsam mit den (Geschäftsführenden) Vorständen der Robert Bosch Stiftung, der Schöpflin Stiftung und der Maecenata Stiftung am 28. Februar in einem Offenen Brief an die Fraktionschefs der Union Friedrich Merz und Alexander Dobrindt gewandt.

Sehr geehrter Herr Merz,
sehr geehrter Herr Dobrindt,

es braucht eine starke Zivilgesellschaft, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland zu erhalten. Als gemeinnützige Stiftungen unterstützen wir teilweise seit Jahrzehnten zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für politische Bildung, unser demokratisches Staatswesen und eine offene Debattenkultur einsetzen. Unter diesen Organisationen befinden sich auch einige, die Gegenstand Ihrer Kleinen Anfrage (Drucksache 20/15035) sind.

Hierzu nehmen wir Stellung:

1. Demokratie braucht Zivilgesellschaft
Seit längerem beobachten wir mit Sorge, dass weltweit der Handlungsspielraum zivilgesellschaftlicher Organisationen eingeschränkt wird (»shrinking space for civil society«). Deutschland hat noch eine sehr vielfältig engagierte Zivilgesellschaft mit rund 600.000 gemeinnützigen Organisationen. Diese engagieren sich unter anderem für gesellschaftlichen Zusammenhalt, Menschenrechte, Demokratiebildung oder Klimaschutz. Sie leisten wertvolle Arbeit, ergänzen staatliches Handeln oder begleiten dieses kritisch. Zivilgesellschaftliche Organisationen schaffen – gerade auch in Ostdeutschland – den dringend notwendigen Raum für gesellschaftliche Begegnungen. Es ist wichtig, dass Politik und Zivilgesellschaft ihre jeweilige Rolle ausfüllen und in einem guten Dialog miteinander sind.

2. Fakten statt Unterstellungen
In einem sich immer stärker polarisierenden Diskurs ist es gerade für demokratische Parteien der Mitte von elementarer Bedeutung, keine populistisch vereinfachenden Narrative zu übernehmen. Sie verweisen bei Ihrer Kritik an einer angeblichen Einflussnahme gemeinnütziger Organisationen auf Stimmen, die NGOs pauschal als »Schattenstruktur« beschreiben, »die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibt«. Diese Aussage können wir nicht nachvollziehen.

3. Politische Betätigung und Gemeinnützigkeit
Politische Äußerungen sind gemeinnützigen Organisationen explizit erlaubt. Der Grundsatz parteipolitischer Neutralität darf nicht als Gebot sachpolitischer Zurückhaltung missverstanden werden. Um dies klarzustellen, ist eine Modernisierung des Gemeinnnützigkeitsrechts dringend notwendig, die Rechtssicherheit für die politische Betätigung gemeinnütziger Organisationen schafft. Dies haben wir bereits in unserem Offenen Brief an die noch amtierende Bundesregierung im vergangenen Mai adressiert.

4. Unterscheidung von Finanzierungsquellen
Zivilgesellschaftliche Organisationen finanzieren sich überwiegend durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Förderungen. Die Vielfalt der Finanzierungsquellen ist ein Indiz für die breite gesellschaftliche Legitimation des zivilgesellschaftlichen Engagements. In Einzelfällen bewerben sich zivilgesellschaftliche Organisationen auf Ausschreibungen beziehungsweise Förderprogramme von Ministerien und erhalten öffentliche Gelder – auf Basis kriterienbasierter Verfahren und primär projektgebunden. Die Zielsetzung, die mit diesen öffentlichen Projektgeldern verfolgt wird, ist klar definiert und wird durch die staatlichen Mittelgeber evaluiert und geprüft. Transparenz ist gegeben.

Der Stellungnahme des Bundesverbands Deutscher Stiftungen vom 27. Februar 2025 schließen wir uns vollumfänglich an.

Als verlässliche Partner von Zivilgesellschaft und Politik laden wir Sie ein, mit uns in den Dialog über die notwendigen Modernisierungen des Gemeinnützigkeitsrechts und die zentrale Rolle der Zivilgesellschaft in einer funktionierenden Demokratie zu treten.

Wir freuen uns über Ihre Gesprächsbereitschaft und stehen sehr gerne für einen Austausch zur Verfügung.

 

Ansgar Gessner, Vorstand Maecenata Stiftung

Dr. Bernhard Straub, Geschäftsführer Robert Bosch Stiftung GmbH

Tim Göbel, Geschäftsführender Vorstand Schöpflin Stiftung

Stephanie Reuter, Geschäftsführende Vorständin Rudolf Augstein Stiftung