Pressemitteilung

Studien zur Qualität journalistischer Berichterstattung in der Corona-Krise

© Rudolf Augstein Stiftung
Hamburg,
2. November 2021

Für die Fachkonferenz follow the science – aber wohin? beauftragte die Rudolf Augstein Stiftung zwei wissenschaftliche Studien, deren Ergebnisse und Handlungsempfehlungen im Rahmen der Veranstaltung am 8. November 2021 vorgestellt werden. Beide Studien sind als Download verfügbar.

Cover der Studie Einseitig, unkritisch, regierungsnah?

Reinemann, Carsten & Maurer, Marcus (2021): „Einseitig, unkritisch, regierungsnah? Eine empirische Studie zur Qualität der journalistischen Berichterstattung über die Corona-Pandemie“.

Zu seltene Berichterstattung über das Corona-Virus selbst, die sukzessive Vernachlässigung von wirtschaftlichen und psychosozialen Folgen der Pandemie und ein eher einseitiger Fokus auf medizinische Expert:innen: Dies sind erste Ergebnisse der wissenschaftlichen Studie „Einseitig, unkritisch, regierungsnah?“, die von Kommunikations- und Medienforschern der Universitäten Mainz und München zur Rolle und Qualität der Berichterstattung in der Corona-Pandemie durchgeführt wird. Untersucht werden elf deutsche Leitmedien im Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum 30. April 2021.

Das Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Marcus Maurer (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) und Prof. Dr. Carsten Reinemann (Ludwig-Maximilians-Universität München) kommt unter anderem zu dem Schluss, dass die untersuchten Medien über die zweite Corona-Welle weniger berichtet haben als über die erste, obwohl die zweite sehr viel höhere Infektions- und Todeszahlen gebracht hat. Auch seien Informationen über das Corona-Virus selbst und Vergleiche mit der Influenza zu kurz gekommen.

Als weiteren Befund stellen die Wissenschaftler fest, dass die untersuchten Medien im Zeitverlauf immer seltener über wirtschaftliche und psychosoziale Folgen der Pandemie berichteten und die Abwägung verschiedener Folgen an Bedeutung verlor. Auch sei eine Verengung des Blicks auf medizinische Expert:innen festzustellen: „Die Berichterstattung hätte“, so Prof. Marcus Maurer, „durchaus auch von dem ein oder anderen Experten in anderen hochspezialisierten Wissenschaftsdisziplinen profitieren können, um den medialen Blick auf die Pandemie um andere Perspektiven auf das Geschehen zu erweitern.“

Den weit verbreiteten Vorwurf, die Medien seien der Regierung gegenüber unkritisch gewesen, entkräften die Forscher in ihrer Studie. Die Untersuchung zeige vielmehr, dass es sehr viel Kritik gegeben habe. Allerdings hätten die meisten Medien den beschlossenen Corona-Maßnahmen grundsätzlich positiv gegenübergestanden. „Die meisten Medien haben sich am Konsens der Medizin orientiert und waren Mitglied im ‚Team Vorsicht‘“, so Prof. Carsten Reinemann. „Das kann man durchaus als Beleg für Rationalität, Wissenschaftsorientierung und eine hohe Qualität von Berichterstattung betrachten. Allerdings bedeutet das auch, dass manche alternative Sichtweisen in den Hintergrund gerieten.“

Die Studie wird finanziert von der Rudolf Augstein Stiftung und dem Bayerischen Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt).

Download „Einseitig, unkritisch, regierungsnah?“

Cover der Studie Corona-Sprechstunde mit Maybrit Illner, Anne Will und Frank Plasberg
© Rudolf Augstein Stiftung

Faas, Thorsten & Krewel, Mona (2021): Corona-Sprechstunde mit Maybrit Illner, Anne Will & Frank Plasberg: Parteilich und oberflächlich oder ausgewogen und informativ?

Talkshows haben das Potenzial, öffentliche Debatten zu prägen. Mit der Studie „Corona-Sprechstunde mit Maybrit Illner, Anne Will & Frank Plasberg: Parteilich und oberflächlich oder ausgewogen und informativ?“ fragen die Politikwissenschaftler Prof. Dr. Thorsten Faas (Freie Universität Berlin) und Dr. Mona Krewel (Victoria University of Wellington), wessen Stimmen in den untersuchten Talkshows gehört wurden, wie informativ das Gesendete war und welche Themen und Narrative die Corona-Debatte bestimmt haben.

Politische Talkshows gelten als ein Gradmesser des öffentlich-medialen Diskurses. Indem sie Themen setzen und Gäste auswählen, geben sie bestimmten Perspektiven Raum und anderen nicht. Mit Blick auf die aktuell erfolgreichsten politischen Talkshows in Deutschland Maybrit Illner, Anne Will und Frank Plasberg untersucht die Studie die Ebene der Sendungen, der vertretenen Gäste und die von diesen Gästen gemachten Redebeiträge.

„Auch in den Talkshows taucht die Pandemie wellenförmig auf“, hebt Thorsten Faas hervor. „Gerade zu Beginn der Pandemie im März und April 2020, aber auch zum Jahresbeginn 2021 war das Thema absolut dominant in solchen Sendungen.“

Im Untersuchungszeitraum von Januar 2020 bis Juli 2021 wurden dabei über 600 Gäste zu Sendungen mit Coronathemen eingeladen. 236 davon waren Politiker:innen, 156 Wissenschaftler:innen und 86 Journalist:innen. Dabei zeigt sich, dass gerade von Seiten der Politik ein recht kleiner Kreis von Personen in diesen Talkshows sehr präsent ist, während es bei Wissenschaftler:innen und mehr noch bei Journalist:innen zu mehr Vielfalt kommt. Bei den Politiker:innen handelt es sich dabei überwiegend – und gerade zu Beginn der Pandemie – um Vertreter:innen aus Bundes- und Landesregierungen. Diese prägende Rolle von Regierungsvertreter:innen hat dabei auch Folgen für die Debatten in den Talkshows. „Wir haben in der Studie einzelne Redebeiträge der Gäste ausgewertet und stellen fest: Wenn dort Bewertungen etwa zu den beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie abgegeben wurden, dann fielen diese in 68 % der Fälle positiv aus, in 22 % negativ“, so Thorsten Faas. Dabei habe die Kontroversität der maßnahmenbezogenen Redebeiträge im Zeitverlauf zugenommen, skeptischere Blick seien vor allem im Jahr 2021 zunehmend präsenter gewesen.

Download „Corona-Sprechstunde“

Beide Studien werden im Rahmen der Konferenz follow the science – aber wohin? am 8. November 2021 in Berlin vorgestellt. Mehr Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier.